Kleine Burg ja – Große Burg nein

Wenn wir Kurt Hoppstädter folgen – und wir haben keine Grund es nicht zu tun -, dann ergibt sich für Bliesen folgendes: Das Geschlecht der Edlen von Bliesen, angehörige des niederen Adels, hatte hier seinen Sitz. Bedenkt man, dass die Bauern damals in hüttenähnlichen Katen lebte, so ist anzunehmen, dass bei der ständischen Ordnung des Mittelalters die Angehörigen der höheren Stände, also auch den niederen Adels, sich einen besseren Wohnsitz schufen. Allerdings gemessen an heutiger Wohnkultur waren sie ärmlich eingerichtet, und karg und hart war auch das Leben darin, vor allem im Winter, wenn die meisten Kammern nicht geheizt werden konnten und der einzige Kamin nur spärlich wärmte. Es war kein Leben im Überfluss und der Glanz und Prunk, wie wir sie von einzelnen großen Burgen her kennen, fehlten genauso wie die idealisierte Ritterromantik. Vergegenwärtigen wir uns auch, dass diese Kleinburgen, befestigte Wohnsitze, militärische Anlage in Kriegs- und Notzeiten waren, und sie hauptsächlich zur Abwehr der Feinde und der Aufnahme der Bauern galt, die hier Zuflucht suchten, denn oft lagen die Ritter in Fehde miteinander und die Höfe und Dörfer der Gegend wurden geplündert und niederbebrannt. In ihrer militärischen Bedeutung lag also der Hauptzweck dieser Art Burgen und nicht in architektonischer Gestaltung und Wohnkomfort.

Wenn man sich dies alles vor Augen führt, dann ist der Schluss berechtigt, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Bliesen eine solche Burg, nennen wir sie Kleinburg oder befestigten Wohnsitz, eine bescheidene Burg, wenn wir den Ausdruck beibehalten wollen, gegeben hat. Auch dass sie in der Nähe der Kirche gestanden hat, braucht nicht bestritten zu werden, dafür spricht die erhöhte Lage auf dem Kirchhügel. Es ist auch nicht verwunderlich, dass es keine Überbleibsel dieser Burg mehr gibt, kein Stein mehr an sie erinnert. Sie mag in den vielen Fehden zerstört oder in späterer Zeit einfach abgerissen worden sein. Vielleicht wurde der Platz überbaut, und die Steine fanden als Baumaterial Verwendung, wie wissen es nicht. Und die Frage, ob die Borrgass, zu Recht oder Unrecht, in Burgstrasse umgetauft wurde, mag offen bleiben.