Bliesen, ein Bauerndorf im Wandel der Industrialisierung, Bliesener werden Bergleute

Wie sehr Bliesen bäuerlich geprägt war, ergeben die Daten einer Viehzählung von 1904, der zufolge das Dorf 284 Gehöfte hatte (unter einem Gehöft verstand man jede Haushaltung mit Viehbestand) mit 58 Pferden, 645 Rindern, 485 Schweinen und 185 Ziegen. 1708 gab es in Bliesen 16 Bauernhaushalte und 12 Handwerker, 13 Mägde bei insgesamt 176 Einwohner. Ihnen standen 630 Morgen Ackerland und 57 Morgen Wiese zur Nutzung. Der Viehbestand betrug 68 Pferde, 80 Kühe, 289 Schafe und 114 Schweine. Bereits 1788 hatten die drei Orte Niederhofen, Bliesen und Elmern 379 Einwohner und 64 Pferde, 410 Kühe, 849 Schafe, 539 Schweine und 65 Ziegen.

Die Änderung des Bliesener Sozialgefüges begann, als in der Saargegend (das Saarland gab es damals noch nicht) das industrielle Tandem Kohle und Stahl entstand; wir wissen, dass zwischen dem Sozialgefüge und der Veränderung des Dorfbildes eine engen Wechselbeziehung besteht. Die Existenzform der Menschen auf dem Lande war durch eine mehr oder weniger unveränderliche Rollenzuweisung charakterisiert. Das änderte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die Industrialisierung und die Verkehrserschließung schufen neue Erwerbsquellen, deren Folge die Entstehung eines neuen Standes, des Arbeiterstandes war, dessen Anfänge bei uns etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts liegen.

 


Lebten bis dahin die meisten Bliesener von der Landwirtschaft, so trat der Nurlandwirt von nun ab und immer mehr in den Hintergrund, und der Nebenerwerbsbauer, der Arbeiterbauer, hatte bald im Dorf den zahlenmäßig stärksten Anteil. Wenn diese Umschichtung sich auch nicht von einem Tag zum anderen vollzog, so war damit doch das Ende der agrarisch bestimmten Epoche eingeläutet. Es waren vor allem die Tagelöhner, die nun in den Gruben und Hütten Arbeit und Brot fanden. Es war der Bergmann, der als neuer Stand zusehens Kontur gewann und bis weit in unser Jahrhundert hinein eine dominierende Rolle spielte. Die ersten Bergleute aus Bliesen waren Johann Schüler und Nikolaus Schönecker, die 1854 auf Grube Reden anfuhren. Ihr Verdienst für eine Schicht betrug 10 Groschen 2 Pfennige, wovon 4 Pfennige pro Schicht für die Knappschaftskasse zu entrichten waren. Die Pension betrug 51 Mark monatlich, damit bestand wenigstens für den Bergmann schon eine Altersversorgung, und darin hob er sich von anderen Berufszweigen in damaliger Zeit ab. Die Zahl der im Bergbau beschäftigten Bliesener stieg stetig: 1870 waren 20, 1875 124 und 1886 waren es 160 Bergleute. 1927 waren bereits 323 Bergleute und 1954 wurden 539 Bergleute gezählt, das waren 49% aller Bliesener erwerbstätigen Männer. Eine Erhebung über die Beschäftigung im Jahre 1949 zeigt:

Diese Statistik zeigt also eindeutig die Verlagerung, die Landwirtschaft als zahlenmäßig schwächster, der Bergmann dagegen als stärkster Berufsstand. Die Bliesener Bergleute arbeiteten vorwiegend in den Gruben um Neunkirchen und im Sulzbachtal, auf Heinitz, Reden, König, Itzenplitz, Kohlwald und Dechen.