Der Bergmann – der Bliesener Stand schlechthin

Bis zu Eröffnung der Rhein-Nahe-Eisenbahn 1861 wohnten die Männer entweder in Privatquartieren in den Grubendörfern oder in den von der Grubenverwaltung eingerichteten Schlafhäusern, wo ihnen eine gemeinsame Küche zur Verfügung stand, in der sie sich selbst ihr Essen zubereiten konnten. Nur samstags kehrten sie zu ihrer Familie zurück und montags in der Frühe gingen sie zu Fuß über die „Bergmannspfade“ zu ihren Gruben. später gingen sie zu Fuß oder fuhren mit dem Fahrrad nach St. Wendel, von wo sie dann der Zug zu ihrer Arbeitstelle brachte. Nach dem Bau der Strecke St. Wendel – Tholey konnten sie nun auch ab 1915 von Bliesen auf fahren, was ihnen eine wesentliche Zeitersparnis einbrachte.

 

Die neuen Erwerbsquellen änderten nichts an der Verbundenheit der Bliesener zur heimatlichen Scholle. Sie wurde auch benötigt, denn die Löhne waren niedrig und reichten oft nicht,
um die größer werdende Familie zu ernähren. Dennoch war der Beruf als Bergmann für die ehemaligen Tagelöhner ein sozialer Aufstieg, sie hatten einen festen Lohn und eine, wenn auch noch ungenügende Altersrente. Um für die Familie das Auskommen zu sichern, suchte der Bergmann noch ein zweites Standbein. Er fand es in der Landwirtschaft, er wurde Nebenerwerbsbauer und so entstand das für das Saarland typische und es von anderen Industrierevieren unterscheidende Bergmannsbauerntum, das die Mentalität unserer Bevölkerung lange bestimmte. Das Sozialprestige des Bergmanns wuchs ständig und erreichte in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts seinen Höhepunkt.

 

 

 

 

 

Die Bergleute hatten früh ein ausgeprägtes Standesbewußtsein, waren sie doch eine Säule des wirtschaftlichen Aufschwungs an der Saar, und sie zeigten es auch auf mannigfache Weise, etwa in der Knappenuniform, in den bergmännischen Vereinen, in der St. Barbarabruderschaft, bei Bergmannsfesten, bei Beerdigungen von Bergleuten, in den Bergmannskapellen und dem Knappenchor, es manifestierte sich in Bergmannsliedern, Gedichten und bergmännischen Gebeten. Im Lesebuch erschien der Bergmann als Typ des Saararbeiters schlechthin, die Bergmannsfahne hatte bald ein anderes Gewicht als der Erntekranz. Der schwere und gefährliche Beruf verschaffte dem Bergmann noch eine zusätzliche Achtung.

 

Der junge Bergmann, der in der Regel nach zweijähriger Militärzeit die Hauerprüfung ablegte, heiratete mit etwa 25 Jahren und bezog dann meistens eine Zweizimmerwohnung zur Miete, falls er nicht im elterlichen oder schwiegerelterlichen Haus wohnen konnte. Im jungen Hausstand wurde gespart für ein eigenes Haus, das so bald es nur ging unter Mithilfe der Verwandten und Nachbarn gebaut wurde. Fast jeder erstrebte ein eigenes Haus, denn als Hausbesitzer galt man schon etwas, und nicht von ungefähr ist das Saarland eines der Regionen mit dem meisten Eigenheimen und dem ist u. a. wohl zuzuschreiben, dass der Saararbeiter nie zu dem Proletarier wie in den anderen Industrierevieren wurde und für klassenkämpferische Parolen wenig zugänglich war. Im Bergmannsbauernhaus wurde eine Ziege gehalten (die als Bergmannskuh in der Geschichte des Saarlandes einging), ein Ferkel zum Mästen, manche hielten sich auch eine Kuh. Ein Stück Land wurde vom ersparten Geld gekauft oder gepachtet, und wenn es auch nur zu bescheidener Lebensführung reichte, man brauchte nicht mehr zu hungern, wie einst in Tagelöhnerzeiten. Wenn auch die Landwirtschaft als einzige Erwerbsquelle an Bedeutung verloren hatte, der Boden wurde weiterhin intensiv genutzt, jede Parzelle wurde bewirtschaftet, Sozialbrache war unbekannt. Bis zum 1. Weltkrieg war der Wandel des Dorfes vom Bauerndorf zum Arbeiterbauerndorf vollzogen. Die Entwicklung zeigt sich an der Bevölkerungsentwicklung: